
Die Emmendinger Behörde hatte sämtliche Vorwürfe im Mai noch abgestritten. Nun stellt sich heraus: Es gab schon im Oktober 2018 Gespräche zu dem Thema – und ehrenamtliche Helfer erheben neue Vorwürfe.
Ein Stern von fünf – so fällt bei Google die einzige Rezension für die Ausländerbehörde des Landkreis Emmendingen aus. Zu seiner Bewertung kommentiert der Nutzer „Nano“: „Die Sympathie für die AfD scheint in dieser Behörde groß zu sein.“ Zwei „Gefällt mir“ hat er dafür bekommen. Das Emmendinger Landratsamt antwortet schnell: „Wir wissen nicht, ob sich Ihr Kommentar und die schlechte Bewertung auf einen bestimmten Vorfall beziehen. Sie können uns aber gerne Einzelheiten mitteilen, wir versuchen dann weiterzuhelfen.“
„Nur wenn ich Dinge erfahre, kann ich adäquat reagieren.“
Andreas Uebler, Ordnungsdezernent
Das entspricht dem Kurs, den Andreas Uebler, der für die Behörde verantwortliche Rechts- und Ordnungsdezernent, fahren möchte: „Nur wenn ich Dinge erfahre, kann ich adäquat reagieren“, sagt er. Wenn sich vor Ort jemand ungerecht behandelt fühle, solle er sich an ihn, an Amtsleiterin Katharina Menge oder an Landrat Hanno Hurth wenden.
Im Mai hatten Recherchen der BZ offen gelegt, dass es auf der Kreisausländerbehörde häufiger zu diskriminierenden oder verletzenden Aussagen kommen soll. Der BZ lagen sechs konkrete Schilderungen von Betroffenen vor. Die Eindrücke wurden zudem von zwei Personen, die solche Behördengänge begleiten, bestätigt. Die Betroffenen beklagten auch, dass unterschiedliche Verfahren wie Anträge auf Einbürgerung oder für die Duldung von Seiten der Behörde unnötig in die Länge gezogen würden.
Konfrontiert mit Aussagen wie „Ausländer machen nur Probleme“ oder „Sie vermehren sich wie Karnickel und dann noch Ansprüche stellen“, sagte Dezernatsleiter Uebler im Mai: „Diese Information hatte ich bisher so nicht und nehme diese sehr ernst.“ Doch weitere Recherchen der BZ zeigen nun: Die Behörde wusste damals längst Bescheid.
Im Oktober 2018 und im Mai 2019 gab es zwei Treffen zwischen ehrenamtlichen Helfern und Sven Buchmüller, dem Fachbereichsleiter der Ausländerbehörde. Dort sprachen die Helfer an, dass es auf der Behörde zu „grenzverletzenden Bemerkungen und Behandlungen“ komme. Organisiert wurden die Treffen von der Servicestelle Ehrenamt des Caritasverbands und des Diakonischen Werkes.
Behörde wünscht sich konkrete Schilderungen
„Es war einer von vielen Punkten, der bei diesen Treffen angesprochen wurde“, sagt Uwe Honecker, der auf der Servicestelle für die Caritas arbeitet. Die Ausländerbehörde bestätigt auf Nachfrage, dass es diese Treffen gegeben hat. Auch in diesem Fall bat die Behörde laut eigener Aussage „ausdrücklich“ konkrete Fälle von „grenzüberschreitenden Bemerkungen“ an sie heranzutragen – „um diesen nachgehen zu können.“ Das sei laut der Ausländerbehörde aber weder während des Treffens noch danach geschehen. Laut Honecker von der Caritas sollen die ehrenamtlichen Helfer mit den Gesprächen zufrieden gewesen sein.
Die Behörde sagt, dass sie danach auch ihre Mitarbeitenden informiert habe. Dort sei darauf hingewiesen worden, dass ein respektvoller Umgang mit den Bürgerinnen und Bürgern, die zur Ausländerbehörde kommen, geboten sei. Warum das Amt im Mai gegenüber der BZ so tat, als höre sie zum ersten Mal von diesen Vorwürfen, dazu schweigt die Ausländerbehörde.
Die Frage ist jedoch, wie konkret es überhaupt möglich ist, diskriminierendes Verhalten zu melden. Bereits im Mai zeigte sich, dass weder Betroffene von Diskriminierung noch deren Begleitungen es wagten, sich mit konkreten Fällen direkt an die Behörde zu wenden.
„Bei anderen Behörden ist es ein Miteinander, im Kreis Emmendingen ist es ein Gegeneinander.“
Helferin, anonym
Zu groß ist die Angst, die Äußerung von Kritik könne sich auf die laufenden Verfahren auswirken. Bei der BZ haben sich seit Mai acht weitere ehrenamtliche Helfer gemeldet, die den Eindruck bestätigen. Keine der acht Personen möchte aus Angst vor Konsequenzen ihren Namen in der Zeitung lesen.
„Bei anderen Behörden ist es ein Miteinander, im Kreis Emmendingen ist es ein Gegeneinander“, sagt eine Helferin. Die Ehrenamtlichen hätten in ihrer Position auch mit den Ausländerbehörden in den Nachbarkreisen zu tun und könnten Vergleiche ziehen. Demnach mangele es der Emmendinger Kreisbehörde an Freundlichkeit, Schnelligkeit und Klientenorientierung. Wer dort anruft, um Informationen zum aktuellen Stand des Verfahrens zu erfragen, würde keine Antwort bekommen – andere Ämter seien kooperativer. Auch würden öfters falsche Auskünfte gegeben.
„Beim nächsten Besuch konnte alles anders sein.“
Herlferin, anonym
Uebler streitet diese Vorwürfe ab: „Mir ist nicht bekannt, dass die anderen Behörden anders arbeiten als wir. Wir haben alle die gleichen gesetzlichen Voraussetzungen zu beachten.“ Er betont nochmals, dass Schilderungen von Kritik oder Diskriminierung auch niemals einen Einfluss auf das Verfahren haben dürften. „Wir nehmen für uns in Anspruch, eine sehr menschliche Verwaltung zu sein“, sagt er.
Eine Helferin schildert, dass es sie irritierte, sich auf amtliche Auskünfte nicht mehr verlassen zu können: „Beim nächsten Besuch konnte alles anders sein.“ Entweder wurden dann die gleichen Dokumente nochmal verlangt, oder welche, von denen nie zuvor die Rede war. Hinzu kämen Wartezeiten bis zu einem Jahr oder längere Funkstille. „Die Behörde kümmert sich zu spät um manche Anträge, weil sie nicht hinterherkommt. Bereits geschickte Belege sind dann veraltet und werden erneut gefordert“, sagt eine Helferin. Sie frage sich, ob die Behörde überlastet sei.
„Ist Ihre Behörde überlastet?“ – Uebler schmunzelt im Gespräch bei dieser Frage: „Was heißt schon überlastet? Als Verwaltungsmensch sage ich, bei zunehmender Arbeit muss ich schauen, wie ich diese vernünftigerweise und korrekt bewältige.“ Die Behörde bestätigt, dass es bei längeren Verfahren sein kann, dass Sachbearbeitende nach einem halben Jahr die gleichen Belege in einer aktuelleren Version verlangen. Uebler versichert, die Behörde arbeite daran, das organisatorische Problem zu vermeiden. Mutwillig seien die Verzögerungen aber nicht. Der Ursprung des Problems seien steigende Fallzahlen und komplizierte Verfahren.
„Was heißt schon überlastet?“
Andreas Uebler, Ordnungsdezernent
2018 gab es 218 Einbürgerungsanträge, 2019 waren es 228 und 2020 wieder 218. Die Bilanz im Juli 2021: bereits 205 Anträge. Im besagten Zeitraum sollen von der Behörde nur drei Einbürgerungsanträge versagt worden sein. Auch die Zahlen der allgemeinen Anträge auf der Ausländerbehörde steigen: Waren es 2011 noch 5300m sind es mittlerweile 11000 – also mehr als doppelt so viele. Etwa die Hälfte dieser Fälle betrifft Personen, die nicht aus einem EU-Land kommen. Diese Fälle seien besonders komplex. Seine Mitarbeitenden, so Uebler, würden in dem anspruchsvollen Job ihr Bestes geben. Derzeit sei eine volle zusätzliche Stelle ausgeschrieben. Was die Aufarbeitung der Vorwürfe vom Mai betrifft, spricht Dezernatsleiter Uebler von einem „laufenden Prozess“. Auch hier sei intensiv mit den Mitarbeitenden gesprochen worden. Diese hätten die Vorwürfe sehr ernst und persönlich genommen.
„Wir haben verstärkt darauf hingewiesen, dass es selbst in schwierigen Situationen verschiedene Grenzen gibt, die nicht überschritten werden dürfen“, so Uebler. Und wo ist die Grenze? Bei den Gesprächen habe sich ergeben, dass die „Damen und Herren aus Syrien“ – so Uebler – schnell und häufig und damit auch zu früh Anträge stellen würden. Hinzu komme eine hohe Erwartungshaltung. Uebler äußert unter „gebotener Vorsicht“, wie er es selbst nennt, dass es bei „besonders forschem Auftreten“ in Ordnung sei, zu fragen, ob man sich in seiner Heimat auch so „aufdringlich“ verhalten habe. Aus der Sicht der Behörde sei das nicht per se diskriminierend. „Die konkrete Be- oder Abarbeitung – wie man im Behördendeutsch sagt – ist schwierig“, so Uebler.
Eine Helferin erzählt von einem Gespräch mit einer Sachbearbeiterin, „die auf Krawall gebürstet war“. Die Sachbearbeiterin habe absichtlich provoziert: „Sie wollte, dass meine Begleitung reagiert und laut wird.“ Um das zu verhindern, habe die Helferin im Laufe des Gespräches ihrer Begleitung unter dem Tisch sogar auf den Fuß getreten. „Die Sachbearbeiterin suchte auch immer wieder den Blickkontakt zu mir, dabei ging es in dem Gespräch nicht um mich.“ Ähnliche Vorfälle waren der BZ bereits im Mai geschildert worden.
Zwei konkrete Fälle werden aktuell bearbeitet
Zwei konkrete Fälle sind mittlerweile an die Behörde herangetragen worden: In einem Fall habe sich jemand über die Länge des Verfahrens und das Verhalten der Behörde beim Regierungspräsidium beschwert. Nachvollziehen kann Uebler die Beschwerde nicht: Das Amt habe der Person bereits eine Einbürgerung in Aussicht gestellt – die auch bald vollzogen wird. „Aus unserer Sicht war das Verfahren in der richtigen Spur“, sagt Uebler. Im zweiten Fall sei diskriminierendes Verhalten gegenüber einer bereits eingebürgerten Person geschildert worden – „allerdings über eine dritte Person“, sagt Uebler. Ein Gesprächstermin mit der betroffenen Person ist angesetzt: „Die dort gestellten Behauptungen sind laut unseren Akten allerdings nicht vollständig“, so Uebler.