
Verzögerte Verfahren und rassistische Äußerungen beklagen mehrere Betroffene anonym der BZ über die Behörde des Landkreises. Das Landratsamt dementiert, will der Sache aber nachgehen.
Es geht um Umgangston, Verzögerungen und Eigenengagement: Mehrere Betroffene berichten der BZ, dass sie sich unfair von der Ausländerbehörde des Landkreises Emmendingen behandelt fühlen. Bei den geschilderten Fällen die der BZ vorliegen, ging es vor allem um Einbürgerungsverfahren, die teilweise länger, teilweise erst kurz zurückliegen.
Deutliche Überschneidungen in den Schilderungen
Zu diesen Eindrücken soll es auch in anderen Verfahren kommen, wie zwei Personen aus dem Hilfesystem, die anonym bleiben möchten, der BZ bestätigten. Die Betroffenen aus diesen Verfahren zur Duldung, Niederlassungserlaubnis oder ähnlichen Anträgen können sich dazu nicht äußern, da weiterhin ein Abhängigkeitsverhältnis zu der Behörde besteht.
Die Schilderungen der einzelnen Fälle überschneiden sich darin, dass die Betroffenen eine „gewollte Verzögerung“ ihrer Verfahren wahrnehmen. Entweder sollen sie immer wieder vertröstet oder mit zeitlichem Abstand neue Dokumente verlangt worden sein. Oft waren aus Sicht der Betroffenen beste Voraussetzungen gegeben: Deutschkenntnisse auf dem entsprechenden Niveau vorhanden, Schulabschlüsse, Ausbildungsplatz, Engagement in örtlichen Vereinen.
Selbstständiges Handeln sorgt für Probleme
Eine Person schildert, wie immer wieder die gleichen Zeugnisse oder Nachweise der weiterführenden Schule verlangt wurden. „Da hieß es dann: Diese Dokumente fehlen noch, obwohl ich diese längst abgegeben hatte.“ Erst als man sich einigte, dass ab sofort alle abgegebenen Unterlagen von beiden Parteien eine Unterschrift benötigten, um die Abgabe zu dokumentieren, kam dieses Problem nicht mehr vor. Zu Verzögerungen soll es vor allem gekommen sein, wenn die Personen sich selbstständig um ihre Anliegen kümmerten. „Ich habe Bekannte, die auf die Behörde von deutschen Staatsangehörigen begleitet wurden. Dort war alles kein Problem“, sagt eine weitere Person.
Bei mehreren Betroffenen entstand in diesem Zusammenhang auch der Eindruck, die Behörde würde darauf hoffen, dass sie durch die zusätzlichen Hürden ihr Anliegen aufgeben würden. „Diejenigen, die weniger gut Deutsch können, stecken da vielleicht den Kopf in den Sand“, so einer der Betroffenen. Meistens hätten die Verfahren dadurch ein bis anderthalb Jahre gedauert.
90 Prozent der Verfahren führen zur Einbürgerung
Das Ordnungsdezernat, dem die Ausländerbehörde unterstellt ist, weist die Vorwürfe der Verzögerung zurück: „Mindestens 90 Prozent der Einbürgerungsverfahren laufen ganz normal ab und führen auch zur Einbürgerung“, sagt Dezernatsleiter Andreas Übler. Auf der Behörde würde für jeden Fall die Einzelfallprüfung zum Tragen kommen. Zudem käme es sehr selten vor, dass die Anträge formal abgelehnt würden.
Im Schnitt würde eine Einbürgerung drei bis sechs Monate dauern. Der Prozess sei fest vorgegeben: Bei einem Beratungsgespräch würden die Voraussetzungen geklärt. Später erhalten die Antragsstellenden per Post Unterlagen – mit einer Liste, welche Nachweise zu erbringen seien. Die Betroffenen und Personen aus dem Hilfesystem wiederum schildern, dass die schriftliche Kommunikation einwandfrei sei. Der Umgang am Telefon oder in Gesprächen aber nicht.
„Ausländer machen nur Probleme.“
Aussage die so auf der Ausländerbehörde in Emmendingen gefallen sein soll
Der Umgangston soll recht rau sein. „Ich habe Angst, mit denen zu sprechen“, sagt einer der Betroffenen. Mehrere Sachbearbeitende sollen sich häufiger rassistisch äußern oder verallgemeinernde Äußerungen gegenüber den Betroffenen tätigen: „Ausländer machen nur Probleme“,“Warum wollen Sie sich einbürgern lassen, wenn Sie mit ihrem Aufenthaltszettel hier gut leben können?“, „Macht man das in Syrien auch so?“, „Wollen Sie mir jetzt unsere Gesetze beibringen?“ schildern Personen Aussagen, die ihnen gegenüber getätigt wurden, wenn sie aktiv handelten oder das Gespräch suchten.
Vor einer schwangeren Frau soll gesagt worden sein: „Sie vermehren sich wie Karnickel und dann noch Ansprüche stellen.“ Eine weitere Person berichtet, wie am Ende eines Gesprächs der Mitarbeiter nicht mehr mit ihr sprechen wollte und sie so lange ignorierte, bis sie die Behörde verließ. Die Betroffenen sagen, sie fühlen sich dadurch minderwertig behandelt. Sie äußern sich mit der Hoffnung, dass sich in Zukunft etwas bei der Behörde ändert.
„Im Bereich des Ausländerrechts ist die Situation für viele Menschen hier und da etwas schwieriger.“
Dezernatsleiter Andreas Übler
„Diese Information hatte ich bisher so nicht und nehme diese sehr ernst“, sagt Andreas Übler mit den Vorwürfen konfrontiert. Die Behörde wolle diesen Äußerungen nachgehen und gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen erörtern. Gerade auf den Ton lege er als Dezernatsleiter besonders viel Wert: „Wir wissen, dass wir es in fast allen Fällen mit Menschen zu tun haben, die Deutsch nicht als Muttersprache haben – das vereinfacht den Behördenbesuch nicht unbedingt.“
Zudem nehme man wahr, dass Menschen, die sich einbürgern lassen wollen, in einer anderen Situation befänden: Dabei handele es sich um Menschen, die bereits einen gesicherten Aufenthaltsstatus hätten und diesen auch bei Absage behalten. „Im Bereich des Ausländerrechts ist die Situation für viele Menschen hier und da etwas schwieriger. Das will ich zugeben“, sagt Übler. Da könne es schon auch mal um die Frage gehen, ob jemand hier weiter leben dürfe.
Ungleiches Machtverhältnis
Eine Person mit Insiderwissen, die die Vorgänge gut kennt, schätzt die Situation so ein: Auf der Behörde gehe es um existentielle Dinge. Teilweise würden auch von den Betroffenen unrealistische Forderungen gestellt oder die Sachbearbeitenden würden ebenfalls angegangen. Für beide Seiten sei tragisch, was auf der Behörde geschehe, wobei das ungleiche Machtverhältnis dafür sorge, dass am Ende diejenigen das ausbaden müssen, die sich nicht wehren können – sei es aus Unwissen oder wegen der Kommunikationsbarriere. Oder weil es einfach schwierig sei, konkrete Beispiele für Machtmissbrauch zu nennen. Das Augenmerk liege nicht auf dem Sozialen, sondern auf der strengen Umsetzung der Gesetze.
„Wenn der Eindruck entstanden sein sollte, dass wir aufgrund irgendwelcher persönlicher Belange oder Empfindlichkeiten entscheiden: Das tun wir nicht“, sagt Ordnungsamtsleiterin Katharina Menge. Die Voraussetzungen würden systematisch geprüft. „Eine persönliche Meinungen der Behördenmitarbeitenden darf sich in diesem Prozess nicht niederschlagen.“ Die Behörde wünsche sich, dass, wenn solche Eindrücke entständen, diese Kritik an sie weitergeleitet würde.
Kommentar: Es braucht neutrale Stellen gegen Diskriminierung / Von Tamara Keller
Mehrere Betroffene beschreiben, wie sie auf der Ausländerbehörde des Emmendinger Landratsamtes einen rauen Ton oder rassistische Äußerungen erlebt haben. Die Behörde will dem Fall intern nachgehen und hätte gerne, dass Betroffene künftig diese Vorfälle direkt an sie melden. Wenn ein Fehlverhalten vorliegt, ist es wichtig Kritik zu äußern. Die Umsetzung gestaltet sich aber schwierig. Konkrete Beispiele zu benennen, ist nicht einfach – denn die Welt um uns herum bewegt sich in einem permanenten Graubereich. Hinzu kommt das Machtgefälle zwischen Betroffenen und Behörde. Am Ende steht dann häufig Aussage gegen Aussage. Einzelne Erlebnisse werden oft auf ihr Alleinstellungsmerkmal reduziert. Es erfordert Mut, zu sagen: Ich fühle mich diskriminiert.
Was also könnte helfen? Eine mögliche Lösung könnte eine neutrale Ombudsstelle sein – gleichzeitig nah genug an der Behörde, um das Geschehene einzuordnen und weit weg genug, sodass niemand Nachteile befürchten muss. Etwas, das mittlerweile für jeden Ort wünschenswert ist, an dem Machtgefälle entstehen. Ebenso denkbar wäre auch eine Auflistung dieser und weiterer vorhandener Stellen mit Kontaktdaten auf einem Merkblatt in unterschiedlichen Sprachen. Zu jedem Gespräch könnte diese Übersicht dann ausgeteilt werden – so werden mögliche Betroffene ausreichend informiert und können selbstbestimmt entscheiden, wie sie vorgehen wollen.
Dieser Text erschien zuerst in der Badischen Zeitung.