Tamara Keller

Journalistin

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Leitartikel: Erst wenn die Denkmuster sich ändern, kann es echte Gleichberechtigung geben

März 2021

Im Schnitt alle 33 Minuten registrierte die Polizei 2019 den Fall einer Frau, die Opfer einer vollendeten oder versuchten schweren Körperverletzung in ihrem häuslichen Umfeld wurde. Im gleichen Jahr wurde durchschnittlich jeden zweiten oder dritten Tag eine Frau von ihrem Partner oder Ex-Partner getötet. Was sagt die Statistik zu den Motiven? Das Bundesinnenministerium hat dahingehend eine wichtige Entscheidung getroffen: Ab sofort sollen frauenfeindliche Straftaten in der Polizeistatistik erfasst werden. Eine Wende um 180 Grad, hatte das Ministerium es kurz zuvor noch abgelehnt, diese Zahlen zu erheben. Dem Richtungswechsel vorausgegangen ist eine Recherche des Spiegels, die zeigt, wie Männer, die zunächst sexistische und gewaltverherrlichende Aussagen online tätigen, früher oder später physisch gewalttätig werden – oft in Verbindung mit rechtsextremer Ideologie.

Wenn die Beziehung endet, ist die Gefahr groß

Dies ist eine reale Gefahr für alle Frauen, nicht nur für diejenigen, die in der Öffentlichkeit stehen oder in den sozialen Netzwerken präsent sind. Meist fängt es mit Belästigungen und Sexismus online an und steigert sich zu sexuellen Gewaltfantasien, bis der Täter zu physischer Gewalt wechselt, wie das Bundeskriminalamt basierend auf aktueller Forschung bestätigt. Die Opfer können zufällige Fremde sein. Statistisch wahrscheinlicher ist aber, dass es sich um Partnerinnen, Ex-Partnerinnen oder um Bekannte handelt: In einer EU-Studie von 2014 gaben 77 Prozent der von sexueller Gewalt betroffenen Frauen an, dass sie den Täter bereits kannten. In seiner extremsten Form zeigt sich die Auswirkung eines frauenfeindlichen Weltbildes im Terror: Hanau, Halle, Christchurch, Toronto. Frauenhass wird also in verschiedenen Intensitäten online wie offline immer sichtbarer in dieser Gesellschaft – was aber lässt sich dagegen tun? Eine Problemzone sind sicherlich Behörden: Bei der Polizei herrscht oftmals noch nicht genügend Sensibilität gegenüber Betroffenen. Ein Teufelskreis. Denn das fehlende Verständnis hält Betroffene von der Anzeige ab. Was bleibt, ist die Dunkelziffer. Auch in Ermittlungen werden frauenfeindliche Motive oder die Einstellung der Täter zu Frauen noch immer zu wenig miteinbezogen. Gleiches gilt für Gerichtssäle. Immer noch zu häufig werden Betroffene im Prozess retraumatisiert. Eine mögliche Lösung ist die Schulung von Behördenpersonal.

Dieser Text erschien zuerst bei der Badischen Zeitung

Es braucht Bewusstsein dafür, wie Femizide im Gerichtssaal und im öffentlichen Diskurs nach wie vor verharmlost werden. Das sind keine „Beziehungstaten“ oder „Eifersuchtsdramen“. Es ist die Tötung einer Frau aufgrund von tief liegendem Hass. In Urteilen werden diese Morde oft nur als Körperverletzungen mit Todesfolge und nicht als Totschlag oder Mord behandelt. Wie bereits von einigen Parlamentarierinnen und Fachanwältinnen gefordert, könnte zudem eine Verschärfung des Paragraphen 46 im Strafgesetzbuch helfen. Dann würden sexistische Motive als strafverschärfend gelten. Aber egal ob Polizei, Justiz oder Medien: Wenn dort frauenverachtende Motive zur Sprache kommen, ist es meist schon zu spät. Denn das bedeutet, dass bereits etwas passiert ist. Doch es gibt noch eine niedrigere Ebene, auf der das „Feindbild Frau“ in der Gesellschaft bekämpft werden kann: bei jedem selbst. Es gilt, dagegenzuhalten, wenn einem online sexistische Kommentare begegnen; zu lernen, Betroffenen zuzuhören und sie ernst zu nehmen; Zivilcourage zu zeigen, wenn ein Paar öffentlich aggressiv streitet, indem man dazwischen geht und fragt, ob Hilfe benötigt wird. Und eigene Denkmuster zu hinterfragen. „So sind Männer oder Jungs halt“, ist keine Rechtfertigung für Fehlverhalten. Wenn so immer wieder Grenzüberschreitungen gerechtfertigt werden, wie soll dann jemand seine Grenzen kennen? Das sind kleine Dinge und sie sind kein Allheilmittel. Aber sie sind ein Anfang.

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