
Der Vorstand von Holstein Kiel war in der vergangenen Woche drauf und dran, seine komplette Frauenabteilung rauszuschmeißen – obwohl die erste Mannschaft in der Regionalliga, die zweite Mannschaft in der Landesliga und die U17 in der zweiten Bundesliga erfolgreich sind.
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Die drei Frauenmannschaften bekamen nicht die Möglichkeit, eine Lösung zu finden, die ein Kompromiss für beide Seiten hätte sein können. Über die Pläne des Vorstandes wurden sie erst spät informiert. Der Vorfall ging durch die sozialen Netzwerke und löste Empörung aus. Mittlerweile hat der Vorstand sein Vorhaben wieder zurückgezogen – wohl dank des Medienwirbels. Doch auch, wenn die Frauen bei Holstein Kiel nun erst mal weiter kicken können, steht der Vorfall symbolisch für ein Problem: Frauenfußball wird in Deutschland zwar akzeptiert, aber nach wie vor nicht ernst genommen. Das fängt in den Profireihen beim DFB an und geht bis zum untersten Amateurbereich.
Ihre Karriere beendete sie für einen Aufenthalt in Ghana – doch sie ist sich sicher, dass sie schon bald wieder auf dem Platz steht. Bis dahin twittert sie über die Missstände im Frauensport. „Ich finde es ja gut, dass Frauen Fußball spielen, aber anschauen kann man sich das halt nicht“ – ist ein Satz, der fast auf jedem Bolzplatz zu hören ist. Meistens sagen das Männer.
Ich habe diesen Satz in den elf Jahren, in denen ich selbst Fußball gespielt habe, oft genug gehört. Wenn Frauenfußball ständig ins Lächerliche gezogen wird, macht das etwas mit erfahrenen Spielerinnen wie mir.
Klar: Es gibt spielerische und dynamische Unterschiede zwischen Männern und Frauen. Die haben nichts mit besser oder schlechter zu tun – doch genau das passiert mit Frauenfußball, ständig gilt er als die schlechtere Version von beidem. Und das hat Folgen.
1. Frauen, die zurückstecken müssen, sind selbstverständlich.
Die Frauen von Holstein Kiel mussten jahrelang auf dem sogenannten Fögeplatz trainieren, der bei Heimspielen der Männer als Parkplatz genutzt wird. Die Meisterfeier der Frauenmannschaft des VfL Wolfsburg wurde im vergangenen Jahr mit Rücksicht auf die Männer verschoben. Und der DFB stellte mit Steffi Jones eine Trainerin ein, die gerade mal den Trainerinnenschein gemacht hatte, aber keine Erfahrung als Trainerin besaß.
Es sind Szenarien, die umgekehrt undenkbar wären: Männer, die aus Rücksicht auf die Frauen nicht feiern dürfen? Männer, die auf dem schlechteren Platz trainieren müssen? Nie gehört. Die Nationalmannschaft der Männer mit einem Trainer ohne Erfahrung? Das gab es mal, zuletzt mit Jürgen Klinsmann. Inzwischen erscheint er aber auch eher unwahrscheinlich.
Woran liegt das? Sicherlich vor allem daran, dass auch die Führungs- und Vorstandspositionen im Fußball fast ausschließlich von Männern besetzt werden. Das betrifft sowohl den Profi- als auch den Amateurbereich. Im DFB-Präsidium befindet sich unter 19 Mitgliedern eine Frau. Wie viel wiegt das, was Frauen zu sagen haben, im Vergleich zu dem, was die Männer sagen?
2. Frauen sollen die Männer immer unterstützen – umgekehrt ist das nicht der Fall.
Ich erinnere mich an ein Beispiel aus meiner aktiven Zeit. Um die Männermannschaft war es nicht gut bestellt, deshalb wurden wir als Frauenteam gebeten, sie am Spielfeldrand zu unterstützen. Für uns war das kein Problem: Wir hatten uns schon öfter an Sonntagen dafür getroffen und die Männer angefeuert.
Umgekehrt passierte das nie: Egal, wie gut oder wie schlecht es um meine Mannschaft bestellt war, niemals wäre die gesamte Männermannschaft auf die Idee gekommen, geschlossen ein komplettes Spiel von uns anzuschauen.
Ich kann mich auch nicht daran erinnern, dass einer der Profispieler aus Wolfsburg im vergangenen Sommer mal gesagt hat: „Lasst die Frauen feiern. Sie haben ihre Leistung erbracht und sich das verdient. Jetzt müssen wir nachziehen und unsere Leistung für den Klassenerhalt erbringen.“
Bei Holstein Kiel folgte auf die Wut der Frauen das Schweigen der Männer. Kaum ein Spieler meldete sich.
3. Die Frauen sind angeblich nicht rentabel. Aber warum?
Von vielen kommt an dieser Stelle das Wirtschaftsargument: „Es interessieren sich einfach nicht so viele Menschen für Frauenfußball. Männer füllen die Stadien.“
Am vergangenen Wochenende gab es mit 45.423 Zuschauern im Wembley-Stadion einen Besucherrekord beim Pokalfinale der Frauen in England. Beim mexikanischen Pendant waren 51.211 Zuschauer. Ich erinnere auch gern an die EM 2017 in Holland, wo Massen von Fans durch die Straßen tanzten. Es sind vielleicht immer noch nicht so viele wie bei den Männern – aber Frauenfußball wird beliebter. Lasst es zu! Außerdem gibt es einen Grund, warum Frauenfußball weniger populär ist: Die Fußballgeschichte ist begrenzt. Nachdem 1955 den Frauen das Fußballspielen verboten wurde, erlaubte es der DFB erst im Jahr 1970 wieder. Aus Vorsicht, die Frau könne sich körperlich übernehmen, durfte sie zunächst nur zweimal 35 Minuten und nur mit den leichteren Jugendbällen spielen. Wieder eine Entscheidung, die ausschließlich Männer trafen. Ab 1990 gab es die erste Frauen-Bundesliga.
Dem Frauenfußball fehlt also noch ein Narrativ. Das beschreibt auch Dagrun Hintze in ihrem Buch „Ballbesitz – Frauen, Männer und Fußball“.
Das Wunder von Bern, das Wembley-Tor, die Nacht von Belgrad, die Hand Gottes: alles Männer-Storys. Wie sollen wir Frauen auch Geschichte schreiben, wenn alles, was wir tun, immer schlecht geredet wird?
„Vielleicht ändert sich das, wenn immer mehr Mädchen Fußball spielen und mehr schillernde Figuren à la Hope Solo […] ins Flutlicht treten – denn die braucht es ganz unbedingt, will man mehr sein als eine politisch korrekte Sportart“, schreibt Hintze. Wie sollen wir Frauen Geschichte schreiben, wenn alles, was wir tun, immer schlecht geredet wird? Immerhin: Die Uefa hat eine Initiative namens „We play strong“ ins Leben gerufen, die Mädchen dazu ermutigen soll, Fußball zu spielen. Vier Profispielerinnen geben in einem Vlog Einblick in ihren Berufsalltag. Auch die deutsche Weltfußballerin 2014, Nadine Keßler, wirkt im Hintergrund mit.
Und sei die Meinung über den FC Bayern München in Deutschland noch so gespalten: Zumindest ließ der Club Männer und Frauen gemeinsam die jeweils gewonnene Meisterschaft auf dem Rathausbalkon feiern – und das sogar schon zweimal.
Der Änderungswille ist da. Doch der Fall Holstein Kiel zeigt: Da muss noch mehr kommen. Die Frauen sind sowohl im Profi- als auch im Amateurbereich ein Add-On, um den Verein zu repräsentieren. Sie sollen zu Gunsten der Männer immer noch vor allem eines: verzichten.