Tamara Keller

Journalistin

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Wie Instagram-Facefilter Einfluss auf ein bestimmtes Schönheitsideal nehmen

November 2019
Foto: Alex de Brabant © Johanna Jaskowska

Blaue Eddingstriche rund um die Augen, dazu rote Flecken auf der Nase und die Aufforderung „Fix me!“ („Reparier mich!“) auf der Stirn. Seit zwei Jahren bietet Instagram, das zu Facebook gehört, schon Augmented-Reality-Filter (AR) für die Selfie-Kamera an. Von Herzchenaugen bis Heiligenschein ist alles dabei. Der von einem Nutzer erstellte Schönheits-OP-Filter ist nun der Grund, warum Instagram vor einem Monat seine Regeln verschärfte: Das soziale Netzwerk erlaubt keine Filter mehr, die falsche Schönheitsideale verkörpern.

Dieser Text erschien zuerst auf fudder.de

Idealisierende Funktionen sind trotzdem erlaubt

Laut eigener Aussage geht es Instagram darum, die psychische Gesundheit von jungen Menschen nicht zu gefährden. Während aber der Schönheits-OP-Filter verbannt wurde, sind nach wie vor zahlreiche Filter vorhanden, die ein durch die Plattform bestimmtes Schönheitsideal vermitteln: Sehr große gefälschte Wimpern oder extra geglättete Haut, die dazu schön schimmert oder die eigenen Augen, die plötzlich noch viel mehr leuchten.

Wo genau will Instagram bei seinem Verbot also die Grenze ziehen? „Dieses Verbot wendet sich hauptsächlich gegen die OP-Filter“, sagt Katrin Krumm. Die Dozentin für digitale Ethik an der Hochschule Macromedia in Freiburg, sagt, die Nutzer könnten bei diesem Filter immerhin differenzieren. „Sie sehen, das ist nicht echt. Stars mit einer großen Reichweite wie Kylie Jenner benutzen bei jedem Bild, das sie hochladen, Facetune. Diese App macht ihre Haut glatt und erhöht die Wangenknochen nach einem bestimmten Schönheitsideal.“Auch die Wissenschaftlerin Katja Gunkel, die an der Goethe-Universität Frankfurt zu Pop-, Bild- und Internetkultur forscht, sieht das ähnlich: „Bei dem Schönheits-OP-Filter wurde quasi das Thema Schönheitskorrekturen thematisiert. Darüber stand deutlich lesbar ’Fix Me!’. Dieser Filter lässt sich als ironischer oder kritischer Kommentar verstehen.“ Die Wissenschaftlerin findet andere Filter, die etwas viel subtiler am Gesicht verändern und das nicht thematisieren, problematischer.

Info
Die Augmented-Reality-Filter mit 3D-Effekten bot das soziale Netzwerk und die Fotoplattform Instagram erstmals 2017 für seine Selfie-Funktion an – und imitierte damit den direkten Konkurrenten Snapchat. Seit August können Nutzerinnen und Nutzer auch eigene Filter erstellen. Nun beschränkt das Netzwerk einige Funktionen.

Warum andere idealisierende Apps und Funktionen weiterhin erlaubt sind, beantwortet die Pressestelle des Unternehmens nicht. „Wir bewerten unsere Richtlinien neu – wir wollen, dass AR-Effekte eine positive Erfahrung für Menschen auf Instagram sind“, sagt ein Facebook-Sprecher auf Anfrage. „Während wir unsere Richtlinien überprüfen, werden wir Folgendes tun: Erstens alle mit plastischer Chirurgie verbundenen Effekte aus der Instagram Effect Galerie entfernen. Zweitens die Genehmigung neuer Effekte dieser Art stoppen und drittens aktuelle Effekte entfernen, wenn sie uns gemeldet werden.“

Zu mehreren explizit gestellten Fragen nimmt die Pressestelle keine Stellung. Stattdessen stellt sie in einem Text, der nicht zitiert werden soll, drei Nutzerinnen vor, die sich mit Body-Positivity beschäftigen. Der Account @johwska befasst sich auf künstlerische Weise mit der Selfie-Funktion. Er bietet Filter mit leuchtend roten Augen oder glänzende Haut namens „Beauty 3000“, die Nutzer schon fast gespenstisch wirken lässt. Dahinter steckt Johanna Jaskowska, die mittlerweile 826.000 Follower dort hat. Die 27-Jährige kreiert selbst AR-Filter für Instagram und war die erste Person, die als ganz normale Userin damit viral ging.

„Das ist wie meine Eltern oder Großeltern, die damals nicht verstanden haben, wenn ich Rockmusik gehört habe.“

Johanna Jaskowska, Filter-Künstlerin

„Ich sehe diese ganze Diskussion gespalten“, sagt die Französin, die in Oregon in den USA lebt und als Digital Creative für Nike arbeitet. „Wenn ich mich in meine jüngeren Follower versetze, die zwischen 16 und 18 Jahre alt sind, dann weiß ich, sie sind gerade auf Identitätssuche. Ich halte die Filter ab dem Moment für gefährlich, in dem ich sie selbst ausprobiere und finde, dass ich mit ihnen schöner aussehe als im echten Leben“, sagt sie. Allerdings, findet Jaskowska, kann sie sich auch nicht zu hundert Prozent in die Lage der jüngeren User versetzen: „Das ist wie meine Eltern oder Großeltern, die damals nicht verstanden haben, wenn ich Rockmusik gehört habe. Ich möchte nicht so konservativ sein.“

Nur, was die Gesichtsform nicht verändert, ist real

Warum der Schönheits-OP-Filter verboten wurde, kann sie nicht nachvollziehen: „Der Filter hatte eine extreme Optik, so dass niemand auf die Idee kommen würde ’Oh, ich will unbedingt so aussehen.’“ Wenn Jaskowska eigene Filter entwirft, verändert sie die Form des Gesichts nicht: „Ich sehe die Filter als eine zweite Haut, eine digitale Haut. Für mich ist Instagram dazu da, um Geschichten über sich selbst zu erzählen. Wer sich selbst nicht wiedererkennt, kann nichts über sich selbst erzählen. Da beginnt für mich die Grenze.“ Für sie ist die Filterfunktion immer noch in einer Testphase, die sich ständig weiterentwickelt. „Es ist nicht vorhersehbar, was passiert, schließlich haben so viele Leute darauf Zugriff.“

Sie selbst sieht, welche Follower ihre Filter verwenden und konnte schon einige Beobachtungen machen: „Meine Filter funktionieren in verschiedenen Kulturen unterschiedlich. Die russische Community nutzt diese ganz anders zur Selbstdarstellung als die brasilianische.“ Das ist auch der Grund, warum Jaskowska die Filter anfertigt: Zum Spaß. „Ich bin immer noch überwältigt, wie viele Leute die Filter verwenden. Deshalb halte ich sie auch nicht für gefährlich. Ich glaube, Instagram wird niemals Filter verbieten, mit denen sich die User wohlfühlen.“ Ethik-Dozentin Katrin Krumm sieht ein grundsätzliches Problem: „Die Verantwortung wird an die Netzwerke abgegeben. Ethisch vertretbar wäre es, wenn Instagram den Diskurs öffnet.“

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