
Landrat Hanno Hurth beruft sich auf sein Recht, nicht vor dem Kreistag über Diskriminierungsvorwürfe gegen die Ausländerbehörde sprechen zu müssen – und hat einem SPD-Antrag eine Abfuhr erteilt.
Die SPD-Fraktion im Kreistag schaltet sich in die Diskussion um diskriminierende Vorfälle bei der Ausländerbehörde ein: „Wir sind uns sicher, dass bereits mit kleinen Änderungen größere Verbesserungen möglich sind“, teilen die Vorsitzende Pia Lach und Kreisrat Raphael Pfaff in einem Statement der BZ mit. Die Fraktion hatte Ende September beantragt, das Thema im Kreistag aufzunehmen. Anlass gaben Schilderungen von schlechten Erfahrungen mit der Ausländerbehörde auf Plattformen wie Google oder Facebook, aber auch die BZ-Berichterstattung.
Rückblick
Mai 2021: Betroffene beklagen Diskriminierung auf der Ausländerbehörde
August 2021: Amt wusste über Diskriminierung auf Ausländerbehörde Bescheid
August 2021: Emmendinger Landrat nimmt Ausländerbehörde in Schutz
Im Mai und August hatte die Badische Zeitung von 14 Betroffenen und Helfern berichtet, die diskriminierende Vorfälle oder rassistische Aussagen auf der Emmendinger Ausländerbehörde erlebt hatten. Wie die Recherchen zeigten, hatten Helfer bereits im September 2018 „grenzverletzendes Verhalten“ von Mitarbeitenden öffentlich gegenüber der Behörde beklagt.
Die Landesverordnung angewandt
Gemeinsam mit dem Statement der Fraktion liegen der BZ auch der Antrag und die Antwort vor: Landrat Hanno Hurth bezieht sich darin auf die Landeskreisordnung und dass es nach deren Regelung nicht vorgesehen ist, „die Angelegenheiten der Unteren Ausländerbehörde auf die Tagesordnung einer der nächsten Kreistagssitzungen zu setzen.“ Auch nach erneuter Nachfrage verweist Pressesprecher Markus Fix auf den gleichen Paragraphen. Hurth hatte bereits im vergangenen Januar, als die FDP forderte, gemeindescharfe Infektionszahlen zu veröffentlichen, zur gleichen Strategie gegriffen. „Hier geht es um eine Aufgabe, die das Landratsamt als Untere Verwaltungsbehörde, also als Landesbehörde wahrnimmt“, erklärt Jürgen Fleckenstein, Professor und Verwaltungsexperte an der Hochschule Kehl. Eine Pflicht zur Diskussion gebe es nicht. „Der Landrat könnte es natürlich, aber er muss es nicht.“
Aufarbeitung wegen anonymer Vorwürfe nicht möglich?
„Eine echte Aufarbeitung ist bei solchen anonymen Vorwürfen nicht möglich“, erklärt der Landrat, der die Kritik an seiner Behörde weiterhin als „pauschal“ bezeichnet. Es gebe keinen konkreten Hinweise, denen das Amt nachgehen könne. Trotzdem seien die Vorwürfe zum Anlass genommen worden, die eigene Arbeitsweise zu hinterfragen. So seien aus Sicht der Behörde die Bearbeitungszeiten der Einbürgerungsanträge in den vergangenen Monaten zu lange gewesen. Begründet wird das mit einer Vielzahl an Anträgen, wobei man im Ranking der Einbürgerungen im Vergleich zu anderen Kreisen weit vorne liege. Eine zusätzliche Stelle sei wegen dieser Belastung geschaffen worden.
„Es ist zu begrüßen, dass das Landratsamt bereits erste Revisionen angestoßen hat“,
Pia Lach und Raphael Pfaff, SPD-Fraktion
Für die Mitarbeitenden der Ausländer- und Einbürgerungsbehörde solle es demnächst eine zusätzliche Fortbildung zu schwierigen Gesprächssituationen geben. „Es ist zu begrüßen, dass das Landratsamt bereits erste Revisionen angestoßen hat, dennoch darf man diese nicht zu schnell beenden, weil die Betroffenen verständlicherweise anonym bleiben wollen“, erklärt dazu die SPD. Sowohl Hurth als auch die Fraktion erklären, dass die Mitarbeitenden keinen einfachen Job hätten und einen wichtigen Beitrag zur Integration Geflüchteter leisten. Die Fraktion befürwortet stetige präventive Schulungen, wünscht sich aber eine transparente Stelle für Betroffene, „die sich ungleich behandelt fühlen.“
Beschwerdestellen laut Landrat nicht notwendig
Für einen weiteren Vorschlag des Landrats finden Lach und Pfaff aber deutliche Worte: „Die Möglichkeit der Petition im Landtag halten wir hingegen für realitätsfremd.“ Hurth hatte in seiner Antwort die von der SPD geforderte Ombudsstelle als „nicht notwendig“ abgelehnt und auf die Möglichkeit einer Petition beim Landtag verwiesen. Zudem gäbe es die Möglichkeit der Beschwerde beim Vorgesetzten der Landratsmitarbeitenden, dem Behördenleiter und beim Regierungspräsidium. Auf BZ-Nachfrage teilt die Pressesprecherin des Regierungspräsidiums Heike Spannagel mit: „Bislang wurden an uns keine Beschwerden über unangemessenes Verhalten im Ausländeramt des Landratsamtes Emmendingen herangetragen.“ Wer mit Entscheidungen des Landratamtes nicht einverstanden sei, könne sich beim Regierungspräsidium beschweren. Vereinzelt sei dies im Fall der Bearbeitungsdauer geschehen. Auf die geforderten Stellungnahmen soll das Landratsamt zügig geantwortet haben: Es liege am massiven Anstieg der Anträge auf Einbürgerung. Auf die dem Regierungspräsidium bekannten Fälle wurde reagiert.
Räumliche Unterbringung auch ein Thema
Ein Thema spricht Hurth von sich aus an: „Die räumliche Unterbringung der Ausländer- und Einbürgerungsbehörde entspricht nicht den Anforderungen an eine moderne Behördenkultur.“ Regelmäßig käme es vor, dass unangemeldete Bürgerinnen und Bürger frustriert unten an der Lautsprecheranlage stünden. Die Situation sei unbefriedigend, hinzu komme die Sprachbarriere. „Nicht nur, aber auch wegen dieser unzulänglichen Unterbringung der Ausländerbehörde wirbt das Landratsamt seit geraumer Zeit für einen Verwaltungsneubau in der Schwarzwaldstraße in Emmendingen“, so Hurth.
Kommentar: Emmendinger Landrat versteckt sich hinter dem Gesetz
Die Diskriminierungsvorwürfe gegenüber seiner Ausländerbehörde will Landrat Hanno Hurth nicht im Kreistag diskutieren. Echte Aufarbeitung sieht anders aus, kommentiert BZ-Redakteurin Tamara Keller.
Er hat es wieder getan: Landrat Hanno Hurth möchte ein gesellschaftsrelevantes Thema nicht im Kreistag thematisieren. Rechtlich ist er da auf der sicheren Seite: Er kann das so handhaben, muss es aber nicht. Juristisch einwandfrei. Bleibt jedoch eine Frage: Hat das noch etwas mit Politik zutun? Die Diskussion um Betroffene, die sich von Hurths Behörde diskriminiert fühlten, fand von Anfang an in der Öffentlichkeit statt. Nur weil die Betroffenen sich trauten, anonym mit der BZ zu sprechen. Unser Grundgesetz sagt „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ und gibt vor, dass jede und jeder das Recht auf Gleichbehandlung hat. Die Politik – egal, ob auf Landes- oder auf Bundesebene – hat dafür zu sorgen, dass diese Werte in unserer Gesellschaft gewährleistet werden.
Hurths Schreiben an die SPD-Fraktion zeigt, dass er nach wie vor nicht akzeptiert, wie wichtig auch anonyme Hinweise bei einer Ungleichbehandlung sind. Dabei wäre er auf einem guten Weg gewesen: Immerhin stellt er fest, dass es mit den gegenwärtigen Strukturen schwer ist, den anonymen Vorwürfen nachzugehen. Gerade deshalb bräuchte es eine andere Möglichkeit, etwa die von der SPD geforderte Ombudsstelle. Statt eine „echte Aufarbeitung“ – wie Hurth es selbst nennt – zu ermöglichen, versteckt er sich lieber hinter dem Gesetz. Das mag sein Recht sein, aber somit entscheidet nur er allein, was als Problem gilt und was nicht. Das ist eine Taktik, die vor allem zum Nachteil einer Gruppe ist: den Betroffenen, mit denen die BZ im Dutzend gesprochen hat.